Wenn ein Baby geboren wird, scheint die Welt sich plötzlich andersherum zu drehen. Gerade beim ersten Kind steht sie erst mal Kopf, und auch dein Körper ist von Veränderungen betroffen. Klar wusstest du das alles vorher – theoretisch jedenfalls. Aber wie es sich anfühlt, Mutter zu sein, erfährst du erst, wenn es so weit ist – da kannst du dich noch so gut vorbereiten. Da sind Achterbahn fahrende Hormone, die Erschöpfung der Geburt, die dir in den Knochen sitzt, und ab jetzt auch noch Schlafmangel – das alles ist anstrengend, kräftezehrend und natürlich völlig normal. Vielleicht hast du dir die Sache mit dem puren Mutterglück ganz anders vorgestellt? An dem Punkt fragst du dich möglicherweise, was in aller Welt mit dir nicht stimmt, und ob du wirklich eine gute Mutter bist – magst aber nicht darüber reden. Keine Sorge: Du bist mit solchen Gefühlen nicht allein. Sehr vielen Müttern geht es wie dir. Es gibt eine ganze Reihe von Tabuthemen, über die oft nicht gesprochen wird.
- Geburtsverletzungen
- Wochenfluss
- Inkontinenz
- Stillprobleme
- Gender Disappointment: Das Baby hat das “falsche” Geschlecht
- Negatives Körpergefühl
- Traumatische Geburt
- Das eigene Baby nicht schön finden
- Überforderung
- Sich von der Verantwortung erdrückt fühlen
- Wochenbettdrepression
- Aggressionen und Zwangsgedanken
- Den Job vermissen
- Regretting motherhood – das alte Leben vermissen
- Müttertreffen schrecklich finden
- Partnerschaftsprobleme
- Du bist nicht allein!
Geburtsverletzungen
Es gibt verschiedene Geburtsverletzungen unterschiedlichen Grades, die den Gang zur Toilette gerade direkt nach der Geburt schmerzhaft machen. Hier hilft: Informiere dich, was du brauchst! Sitzbäder, sogenannte Po-Duschen können den Schmerz lindern. Sprich mit deiner Hebamme ganz offen, was dir guttun könnte und wie du den Heilungsverlauf unterstützen kannst.
Wochenfluss
Auch der Wochenfluss ist kein besonders beliebtes Gesprächsthema – und dennoch gehört er zu jeder Geburt dazu. Wochenfluss nennt man die Blutung nach der Geburt, die Gewebereste und Schleimhaut von der Gebärmutter abstößt. Der Wochenfluss kann bis zu 6 Wochen dauern, wobei sich die Intensität und Farbe über die Zeit ändert. Mehr Informationen bekommst du bei deiner Hebamme. Falls du unsicher bist, hast du auch immer die Option, deinen Arzt oder deine Ärztin um Rat zu fragen.
Inkontinenz
Nach einer Geburt kann es vorübergehend zu Inkontinenz kommen. Da die Beckenbodenmuskulatur in der Schwangerschaft und während der Geburt extrem belastet wurde, ist auch das am Anfang ganz normal. Daher ist es wichtig, dass du dich um die Rückbildung des Beckenbodens kümmerst, um eine dauerhafte Inkontinenz zu vermeiden. Du bist auch damit nicht allein! Etwa 48,4 % aller Gebärenden kämpfen nach der Geburt mit dem Thema. (Quelle: Ärzteblatt, www.aerzteblatt.de/lit2423, 2023)
Stillprobleme
Auch wenn die Neumama es noch so gern möchte – es ist nicht gesagt, dass das Stillen immer reibungslos funktioniert. So planen in Deutschland 90 % der Frauen zu stillen – und nur 68 % der Frauen stillen dann tatsächlich. (Quelle: National Geographics, 2023 “Warum fällt vielen Frauen das Stillen so schwer?”) Wunde Brustwarzen und Milchstau sind wohl die bekanntesten Probleme. Bei allen anderen Müttern scheint das Stillen zu klappen und eine wunderbare, innige Erfahrung zu sein, wieso nicht bei dir? Versuche, den Druck herauszunehmen, suche dir Hilfe bei deiner Hebamme, in einer Stillgruppe oder bei einer Stillberatung. Falls es nicht klappt: Du bist keine schlechte Mutter, wenn du dein Baby mit der Flasche ernährst, lass dir keinen zusätzlichen Druck von Freunden, Bekannten oder der Familie machen!
Gender Disappointment: Das Baby hat das “falsche” Geschlecht
“Egal – Hauptsache gesund” ist die beliebteste Antwort von Schwangeren auf die Frage, ob sie sich einen Jungen oder ein Mädchen wünschen. Was sollten werdende Mütter auch sonst antworten, ohne schief angesehen zu werden? Oft hatten sie jedoch sehr wohl einen heimlichen Wunsch – die meisten von ihnen erzählen aber niemandem davon und versuchen stillschweigend, ihre Enttäuschung zu verbergen, wenn ihr Baby nicht das gewünschte Geschlecht hat. Das heißt natürlich nicht, dass diese Mütter ihre Babys weniger lieben, aber genau so würde das Umfeld es wohl auffassen, wenn sie offen über ihre Enttäuschung sprächen!
Negatives Körpergefühl
Manche Frauen lieben ihren Babybauch und ihre wachsenden Brüste – andere sind geradezu entsetzt über die Veränderung ihres Körpers, sowohl während der Schwangerschaft als auch nach der Geburt. Natürlich weiß jede Frau in etwa, was ihr bevorsteht – es zu durchleben, ist aber noch mal eine andere Sache, besonders bei Frauen, die immer sehr körperbewusst gelebt oder in der Vergangenheit traumatische Erfahrungen mit ihrem Körper gemacht haben. Gestehe dir negative Gefühle diesbezüglich ein und zu. Sollte dich das Thema stark belasten, dein Umfeld jedoch mit Unverständnis reagieren, hole dir Hilfe! Deine Hebamme kann auch hier eine gute Ansprechpartnerin sein. Falls du keine Hebamme hast, gibt es auch Müttergruppen oder therapeutische Hilfe, die du in Anspruch nehmen kannst.
Traumatische Geburt
Eine Geburt kann ein ganz wunderbares Erlebnis sein – leider ist das nicht bei allen Frauen der Fall. Schmerz und Erschöpfung während der Geburt können extrem überwältigend sein. Aber längst nicht alle Frauen mögen offen darüber reden, dass sie die Geburt als traumatisch erlebt haben. Auch hier gilt: Du bist damit nicht allein!
Das eigene Baby nicht schön finden
Es gibt Babys, die schon kurz nach der Geburt unglaublich niedlich sind. Aber Babys kommen oft dunkelrot und “zerknautscht” zur Welt. So manche Mutter ist ganz schön erschrocken, dass das eigene Kind nicht an den kleinen Wonneproppen aus der Windelwerbung, sondern eher an ein kleines verschrumpeltes Äffchen erinnert. Und auch im Wochenbett findet nicht jede Mutter ihr Kind unendlich schön. Gerade wenn die Erschöpfung von der Geburt so richtig spürbar wird und sich die Endorphine etwa drei Tage nach der Geburt wieder herunterregulieren, haben Neumamas mit vielen Gefühlen zu kämpfen, auch mit negativen – manchmal sogar dem eigenen Kind gegenüber! Du musst nicht alles niedlich und hübsch an deinem neuen Mitmenschen finden, lerne ihn in Ruhe kennen und versuche, gesellschaftliche Erwartungen zu hinterfragen.
Überforderung
Nach neun Monaten Schwangerschaft und dem Kraftakt der Geburt braucht eine frischgebackene Mutter vor allem Ruhe. Davon kann allerdings meist keine Rede sein, denn das Kleine hat mindestens im Zweistundentakt Hunger, braucht neue Windeln oder ganz einfach Aufmerksamkeit. Womöglich gibt es noch Geschwisterkinder zu versorgen, und nebenbei muss noch der Haushalt geschmissen werden. Kein Wunder, dass da ganz schnell ein Gefühl der Überforderung entsteht, wenn die Frau keine oder zu wenig Unterstützung bekommt. Es kommt erschwerend hinzu, dass ihr eigener Anspruch sich oft an unrealistischen Idealen orientiert – die sogenannten Insta-Moms sind ja alle nach spätestens zwei Wochen wieder fit und bewältigen alle Herausforderungen mit links – so scheint es jedenfalls, auch wenn die Realität meist ganz anders aussieht. Das Umfeld reagiert leider nicht immer verständnisvoll, weshalb sehr viele Mütter versuchen, ihre Überforderung zu verbergen. Sie schämen sich insgeheim und fühlen sich als komplette Versagerinnen. Sollte es dir auch so gehen: Sich in der ersten Zeit mit dem Baby überfordert zu fühlen, ist völlig normal und hat mit Versagen rein gar nichts zu tun!
Sich von der Verantwortung erdrückt fühlen
Von jetzt auf gleich ist da ein kleiner Mensch, für den die Eltern die Verantwortung tragen. Das Baby ist in allen Dingen von ihnen abhängig, und es hat viele Bedürfnisse, die es auch lautstark äußert. Haben die Eltern das Glück, sich die Betreuung teilen zu können, ist das sehr hilfreich. Häufig stehen Mütter aber allein vor dieser riesigen Aufgabe. Allein aus der Angst heraus, etwas falsch zu machen und dem Baby zu schaden, entsteht dann schnell das Gefühl, förmlich erdrückt zu werden. Wird das offen geäußert, geraten diese Frauen leicht in den Verdacht, sich am liebsten ihrer Verantwortung entziehen zu wollen, obwohl genau das Gegenteil der Fall ist – denn gerade besonders verantwortungsbewusste Mütter werden von Zweifeln geplagt, ob sie es auch wirklich schaffen, ihren Babys gerecht zu werden und “gute Mütter” zu sein. Lass dich nicht von deinen eigenen Ansprüchen oder denen deines Umfelds erdrücken! Denn die Verantwortung als “neugeborene” Mama ist extrem, du bist unsicher, musst dich an einen komplett anderen Tagesablauf gewöhnen und hast noch mit körperlichen Veränderungen zu kämpfen. Hol dir Unterstützung, wo immer es geht und lasse am besten nur positive und mitfühlende Menschen an diesem Abschnitt deines Lebens teilhaben.
Wochenbettdrepression
Eine Überforderung oder das Gefühl des Erdrücktseins muss nicht gleich depressiv machen. Tatsächlich sind aber etwa 8 Prozent der Mütter von einer Wochenbettdepression betroffen, die weit über den “Babyblues” hinausgeht. Der Babyblues (auch “Heultage” genannt, tritt etwa bei 75 Prozent aller Mütter auf und dauert nur ein paar Tage. Verantwortlich dafür sind die neue Situation mit all ihren Herausforderungen und der abrupte, drastische Hormonabfall nach der Geburt. Eine echte Wochenbettdepression ist allerdings sehr viel komplexer. Schon ganz alltägliche Dinge, wie Aufstehen, Duschen oder Kochen werden kaum bewältigt, die Betroffenen sind ständig niedergeschlagen und ängstlich, es fällt ihnen schwer, eine Bindung zu ihrem Baby aufzubauen. Damit gehen massive Schuldgefühle einher. Dass nun alle Welt übersprudelndes Mutterglück erwartet, macht die Sache nicht leichter und treibt die Frauen noch weiter in die Depression. Leider ist auch das ein Tabuthema, obwohl es gerade in dieser Situation so wichtig ist, sich Hilfe zu holen, denn es handelt sich um eine ernstzunehmende, behandlungsbedürftige Krankheit!
Aggressionen und Zwangsgedanken
Schlafentzug ist nicht ohne Grund eine Foltermethode. Wer ständig aus dem Schlaf gerissen wird und einfach nicht zur Ruhe kommt, kann schon mal Aggressionen entwickeln, das ist eine ganz natürliche Reaktion. Wenn dann womöglich noch das Baby stundenlang wie am Spieß schreit, kann man als Mutter schnell in einen Ausnahmezustand geraten und das Baby zum Mond wünschen. Am belastendsten für junge Mütter sind sogenannte “Zwangsgedanken”, die ungewollt in den Kopf schießen und darum kreisen, dass dem Baby etwas geschieht, manchmal sogar darum, es selbst zu verletzen. Klar, dass sich Scham und Schuldgefühle einstellen! Dieses Phänomen ist viel weiter verbreitet, als man vermuten würde – laut einer kanadischen Studie ist beinahe jede zweite Mutter eines Neugeborenen davon betroffen – das sollte kein Tabuthema mehr sein!
Solltest du den Verdacht haben, von einer Wochenbettdepression betroffen zu sein oder Ängste im Zusammenhang mit Zwangsgedanken haben, suche dir bitte unbedingt professionelle Hilfe! Erste Anlaufstellen sind deine Hebamme oder dein:e Gynäkolog:in. Auch die telefonische Seelsorge ist unter den Telefonnummern 0800 1110111 oder 0800 1110222 rund um die Uhr kostenfrei für dich da!
Den Job vermissen
Frischgebackene Mütter, die ihren Job geliebt haben und ihn schmerzlich vermissen, sind gar nicht so selten! Es fehlen die intellektuellen Herausforderungen, der Austausch mit Kolleg:innen und Kund:innen, oder einfach die geliebte Tätigkeit selbst. Daraus kann ein Gefühl der Unterforderung entstehen – während die Frau gleichzeitig mit den vielen neuen Aufgaben überfordert sein kann.
Regretting motherhood – das alte Leben vermissen
Manche Mütter würden die Zeit zurückdrehen, wenn sie könnten. Der spontane Wochenendtrip, mit Freunden etwas trinken gehen, auspowern im Fitnessstudio, lange Gespräche mit der besten Freundin führen – all die Dinge, die man vorher so genossen hat, sind mit einem Neugeborenen kaum möglich, denn es muss nun mal rund um die Uhr betreut werden. Mütter, die bekennen, ihr altes Leben zu vermissen, werden aber schnell als selbstsüchtig verurteilt – die meisten behalten diese Gedanken also lieber für sich. Lass aber auch diese Gedanken zu, denn natürlich hast du eine neue Rolle dazugewonnen, was nicht heißt, dass du deine alten Rollen nicht vermissen darfst.
Müttertreffen schrecklich finden
Viele Mütter finden es ganz wunderbar, sich mit anderen Neumamas auszutauschen, andere wiederum mögen es überhaupt nicht – aus ganz verschiedenen Gründen. Manchen reicht die Mutterschaft einfach nicht als Gemeinsamkeit, anderen sind solche Treffen zu turbulent und zu laut, oder sie möchten nicht ständig über Babythemen sprechen, die ja meist im Mittelpunkt solcher Treffen stehen. Vielleicht möchten sie ihr Baby auch nicht vergleichen müssen, gerade wenn andere Babys schon weiter sind als das eigene.
“Mama-Treffs” werden dann eher gemieden, häufig, ohne den wahren Grund dafür anzugeben.
Partnerschaftsprobleme
So ein kleiner Mensch wirbelt natürlich auch das Leben als Paar ganz schön durcheinander.. Das Kuschelhormon Oxytocin bewirkt, dass sich die Mama nun ganz ihrem Baby zuwendet, denn das ist nun genau, was es braucht. Nicht immer ist es beiden Eltern möglich, sich eine berufliche Auszeit zu nehmen und die erste Zeit im Wochenbett gemeinsam zu erleben. In solchen Fällen könnte sich der arbeitende Elternteil zurückgesetzt und ausgeschlossen fühlen. Wer dann noch nach einem anstrengenden Arbeitstag den Haushalt erledigen oder bei der Versorgung des Babys unterstützen soll, wird möglicherweise gereizt reagieren, was natürlich zu Spannungen führt. Besonders, wenn nicht offen darüber gesprochen wird, kann der Haussegen dann ganz schnell schief hängen.
Du bist nicht allein!
Hast du dich in einem oder mehreren Punkten wiedererkannt? Dann mach dir bitte keine Sorgen! Die Mutterrolle ist etwas, in das du langsam hineinwächst, das geschieht nicht auf Knopfdruck. Gerade in der sehr sensiblen Phase nach der Geburt stürmt so vieles auf dich ein, sogar dein Gehirn wird “neu programmiert”. Den viel zitierten Mutterinstinkt gibt es übrigens gar nicht – du lernst erst nach und nach, dich auf dein Baby und die neue Situation einzustellen. Lies dazu auch gern unseren Artikel Muttertät: was du unbedingt darüber wissen solltest. Von allen Abenteuern im Leben ist Muttersein wohl das größte und wunderbarste, aber auch das herausfordernste. Gib dir selbst Zeit, dich darauf einzulassen. Du musst nicht perfekt sein und darfst in Ruhe herausfinden, wer du als Mutter sein möchtest und bist! Wenn du dir mal überlegst, was du allein mit der Schwangerschaft und der Geburt geleistet hast – körperlich und seelisch – bist du schon ziemlich nahe dran an Superwoman. Und die hat nicht mal Kinder!
Vielleicht tut es dir gut, zu erfahren, dass du mit deinen Ängsten und widersprüchlichen Gefühlen nicht allein dastehst, tatsächlich ergeht es unzähligen anderen Müttern genau wie dir, auch wenn die meisten von ihnen nicht darüber sprechen. Dabei wäre genau das sicher sehr hilfreich! Es würde uns sehr freuen, wenn wir dir ein wenig Mut machen konnten. Vielleicht magst du uns sogar erzählen, ob du selbst ein Tabu-Thema hast oder hattest? Vertagge uns gern bei Instagram mit @kartenmacherei – wir freuen uns auf deinen Beitrag!
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